Der 1837 in Elberfeld geborene Hans von Marées (1837-1887) ist der bedeutendste aus Wuppertal stammende Künstler des 19. Jahrhunderts. Das Von der Heydt-Museum besitzt mit 41 Zeichnungen, 24 Gemälden und dem Skizzenbuch zu seinen Fresken in der Zoologischen Station in Neapel – dank des Engagements der Familie Von der Heydt – eine der umfangreichsten Marées-Sammlungen überhaupt. Bereits 1904, nur zwei Jahre nach der Gründung des Museums, widmete man dem Künstler hier eine Einzelausstellung. Sie war wegweisend für die Marées-Rezeption und auch für die Entwicklung der Wuppertaler Sammlung. Der Bankier, Sammler und Mäzen August von der Heydt kaufte aus diesem Anlass drei bedeutende Werke, um sie dem Museum zu schenken: „Ausfahrt der Fischer“, „Italienerknabe“ und das „Selbstbildnis mit Hildebrand und Grant“.
Insgesamt sechs Gemälde des Künstlers sind zurzeit in unserer Ausstellung „Zeiten und Räume: Klassiker der Sammlung. Ruisdael bis Giacometti“ zu sehen. Sie bieten einen kleinen Überblick über das Schaffen von Hans von Marées, der seine Heimatstadt Elberfeld bereits im Alter von zehn Jahren verließ und mit den Eltern nach Koblenz zog, um seine künstlerische Ausbildung ab 1853 in Berlin zu erhalten.
1873 realisierte Marées im Auftrag des deutschen Meeresbiologen Anton Dohrn für die von diesem gegründete Zoologische Station in Neapel eine geschlossene Folge monumentaler Wandmalereien. Das Werk blieb Marées‘ einziger öffentlicher Auftrag und ging in die Kunstgeschichte ein als einer der bedeutendsten malerischen Zyklen des 19. Jahrhunderts. Sein Thema ist das – idealisierte – Leben der Menschen am Golf von Neapel.
Die „Ausfahrt der Fischer“ zählt zu den Ölstudien, mit denen Marées seine Wandarbeit vorbereitete. Links im Bild fällt die felsige Küste stufenweise zum Wasser ab. Im Vordergrund bewegen sich auf einem schmalen Uferstreifen zwei Gruppen von Fischern auf den Strand zu. Die Männerakte wirken ruhig, fast statisch – obwohl sie eigentlich schwere körperliche Arbeit verrichten. Links werden Netze geschleppt, rechts ein Boot ins Wasser geschoben.
Marées setzt bei seiner Komposition auf Vereinfachung und Verdichtung und verzichtet auf jedes erzählerische Beiwerk. Die gleiche urtümliche Kraft, die in den gedrungenen Männerakten gleichsam zu schlummern scheint, beherrscht auch die mächtig aufgetürmten Felsen im Hintergrund. Marées suchte die Nähe zu den antiken Wandbildern von Pompeji. Erstmals bereiste er Italien im Jahre 1864 und besuchte Rom. An der antiken Kunst dort faszinierte ihn das Majestätische ihrer gesetzmäßigen Ordnungen. Den Monumentalstil seiner Neapler Fresken gewann er aus der genauen Beobachtung der Erscheinungswelt, die er zu archetypisch wirkenden Formeln verdichtete – stets mit dem Gedanken, so „das Göttliche der Schöpfung“ zu ehren, wie er seinem Freund und Mäzen Conrad Fiedler schrieb.
Marées war eigentlich ein eher langsamer, skrupulöser Maler. Aber die Freskotechnik (der Name sagt es: man muss in den frischen, nassen Putz malen) zwang ihn zu schnellem Arbeiten. Das jeweilige Bild musste fertig werden, ehe der Putz getrocknet war. Übermalungen und Korrekturen waren nicht möglich. In knapp vier Monaten war das Riesenwerk vollendet. Und genießt heute aufgrund seiner Klarheit, der Plastizität seiner Figuren sowie seiner räumlichen Tiefe einen geradezu legendären Ruf. Das Publikum der Gründerzeit jedoch stand den Neapler Fresken gleichgültig gegenüber. Selbst Conrad Fiedler beklagte, wie fast jeder, in seinem Tagebuch das „Unfertige“ der Bilder. Hans von Marées starb 1887 in Rom und ist auch dort begraben.