Das 2. Obergeschoss ist derzeit aufgrund von Vorbereitungen für die kommende Ausstellung geschlossen. Ab 16. Februar eröffnet dort Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne.
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Der Bildtypus des Porträts entwickelte sich seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert, in einer Zeit, in der sich Menschen selbst immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rückten. Dabei ist es allerdings ein Irrglaube, wie der Kunsthistoriker Hans Belting plausibel dargelegt hat, dass das Porträt eine Erfindung der bürgerlichen Kultur wäre – die Geschichte des Porträts hat lange vorher begonnen und einmal der Selbstbehauptung in einer anderen Gesellschaft gedient. Im Porträt wurde, so Belting, die Emanzipation des Subjekts in Zeiten höfischer Herrschaft und kirchlicher Vormundschaft demonstriert. Gerade in der frühen Neuzeit bilden sich die Konflikte des Individuums mit der Gesellschaft im Porträt deutlicher ab als in anderen Zeiten.
In früheren Zeiten entstanden Porträts häufig als Auftragsarbeiten. Dann war die Intention des Bildes meist klar definiert, es sollte repräsentieren, also die Person und ihren gesellschaftlichen Status oder ihre Herkunft angemessen verbildlichen. Hier traten nun auch unterschiedliche Formen von Inszenierung auf. Einerseits durch gestalterische Elemente, wie dem Bildausschnitt, der Perspektive oder der Gesamtkomposition. Andererseits durch Objekte und Attribute, die zur Charakterisierung der Person beitragen sollten.
Der Titel der Ausstellung ist Julia Kristevas gleichnamigem Buch aus dem Jahr 1990 entliehen, das um die Spannung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kreist. Im selben Maße, so Kristevas zentrale These, in dem wir einander fremd sind und uns gegenseitig beargwöhnen, sind wir auch uns selbst fremd – und bleiben es. Und gerade dies erkennt die Philosophin als Schlüssel im Umgang mit dem Anderssein. Denn wenn das Fremde als Eigenes wahrgenommen wird, hebt sich auch der Gegensatz von fremd und eigen auf und die beiden Kategorien verschmelzen. Gesellschaftspolitisch ist dies tatsächlich doch mehr als wünschenswert.
In der Gattung des Porträts lassen sich die Unterschiede von Fremd- und Selbstwahrnehmung gut beobachten. Natürlich besonders gut im Vergleich von Selbstporträts und Porträts. Also wie stellt sich eine Person selber dar und wie wird eine Person durch eine andere dargestellt? Also der Blick von außen, der fremde Blick, und der eigene Blick auf sich selbst. Interessant ist aber auch, wie gesellschaftliche, soziale, kulturelle und geschlechtsspezifische Aspekte die Darstellung von Menschen beeinflussen und wie diese Darstellung mit dem eigenen Wahrnehmen korreliert.
Das Konzept der Ausstellung ist, anhand unterschiedlicher Medien – Gemälde, Grafik und Fotografie – unterschiedliche Formen von Repräsentation und (Selbst-)Darstellungen zu zeigen. Die frühsten Werke sind aus dem 19. Jahrhundert und die aktuellsten von 2017. Anhand der unterschiedlichen Werke zeigt sich die Bandbreite menschlicher Darstellung, aber eben auch Formen der (Selbst-)Inszenierung, die zuweilen durch Stereotype und Konventionen geprägt sind. Hier spielen auch die Begriffe Gender, Class und Race eine Rolle.
Die Ausstellung gliedert sich in fünf Themenbereiche, von Repräsentation und Präsenz, über die Bedeutung des Körpers, das Thema der inneren Versunkenheit und Intimität. Die Selbstporträts von Zanele Muholi spielen bei all diesen Aspekten eine zentrale Rolle, sie bilden sozusagen den Kern der Ausstellung und treten in Dialog mit den Kinderbildnissen von Paula Modersohn-Becker, einem Selbstbildnis von Francis Bacon, Fotografien von Wols, Grafiken von Miriam Cahn und vielen weiteren Positionen.
Zanele Muholi (geb. 1972 in Umlazi, Südafrika), die sich als non-binäre Person versteht, porträtiert sich und diskriminierte Minderheiten seit über 15 Jahren. Im Besonderen fotografiert Muholi schwarze, lesbische Frauen und versteht dies als Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins der LGTQIA+-Community in Afrika. Muholi bezeichnet sich selbst als „visual activist“. Südafrika war das erste Land, das die Rechte von homosexuellen Menschen 1996 in seiner Post-Apartheid-Verfassung festschrieb und die gleichgeschlechtliche Ehe bereits 2006 legalisierte. Dennoch sind Attacken und homophobe Hassverbrechen immer noch allgegenwärtig.
Einige der Selbstporträts in der Ausstellung stammen aus der Serie „Somnyama Ngonyama“ (seit 2012), zu Deutsch: Heil der dunklen Löwin. Muholi macht darin den eigenen Körper zur Projektionsfläche und befragt zugleich die Geschichte der (Schwarz-Weiß-)Fotografie. Denn diese privilegiert traditionell hellhäutige Menschen, während People of Color in ihr in den Hintergrund treten. Auch auf einer symbolischen Ebene verweist Muholi auf stereotype rassistische Momente oder die Geschichte der Apartheid, etwa, wenn Muholi Objekte aus dem Haushalt (Schwämme, Bürsten etc.) in die Bilder integriert, zum Beispiel als Haarschmuck. Dies lässt sich als Verweis auf die lange Tradition schwarzer Hausangestellter interpretieren. Muholis Selbstbildnisse sind fein komponiert, sehr klug arrangiert und auf vielen Ebenen tiefsinnig. Sie führen Klischees gekonnt vor Augen und stellen Vorurteile zur Diskussion. Diese im Dialog mit der Porträtsammlung des Von der Heydt-Museums zu betrachten, bringt ganz neue Anknüpfungspunkte und Themenfelder zum Vorschein.