Carl Grossberg (1894–1940) zählt zu den herausragenden Malern der Neuen Sachlichkeit. Sein umfangreiches Werk, das in einem Zeitraum von nur 15 Jahren entstanden ist, widmet sich fast ausschließlich den Themen Architektur und Industrie. Mit seiner formalen Klarheit und Strenge ist es Ausdruck eines neuen, gleichsam fotografischen Sehens. In ikonischen Bildern spiegelt Grossberg den rasanten technisch-industriellen Fortschritt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts – ohne ihn euphorisch zu feiern. Ganz im Gegenteil: seine oftmals extrem reduzierten Kompositionen regen auch dazu an, den Fortschritt und seine Wirkungen auf den Menschen kritisch zu hinterfragen. Insbesondere die vieldeutig lesbaren „Traumbilder“, die in der Kunst der 1920er und 1930er Jahre ihresgleichen suchen, weisen Grossberg als hoch sensiblen Intellektuellen aus. Seine Kunst beschwört die Magie der Dinge, um hinter ihnen andere Wirklichkeiten kenntlich machte.
Keine Ausstellung und keine Publikation zur Kunst der Neuen Sachlichkeit kommt ohne Carl Grossberg aus. Dennoch hat es seit 1994 keine museale Retrospektive seines Werks mehr gegeben. Diese Lücke will das Von der Heydt-Museum schließen. Dabei geht es nicht allein darum, endlich wieder Grossbergs unverwechselbare künstlerische Position klar sichtbar zu machen. Auch seine Geltung für die Gegenwart soll herausgearbeitet werden, denn im Rückblick betrachtet, erweist sein Werk sich als hochaktuell: in künstlerischer wie in gesellschaftlicher Hinsicht.
Carl Grossbergs Motivwahl und die quasi fotografische Nüchternheit seiner Malerei haben wegweisende Fotograf*innen nachfolgender Generationen inspiriert, nicht zuletzt Bernd und Hilla Becher und deren zahlreiche Schüler*innen. Jedoch treffen seine Arbeiten heute auf einen fundamental anderen Umgang mit medialen Bildern, die in schneller Folge erzeugt, unablässig in digitale Netzwerke eingespeist und vielfachen Mutationen und Manipulationen unterworfen werden, bis sie nachgerade zu „Traumbildern“ werden können. Und wenn Grossberg mit seinen Arbeiten den industriellen Aufbruch am Beginn des 20. Jahrhunderts aus heutiger Sicht gültig dokumentiert, so vollzieht sich aktuell – und keineswegs allein in Deutschland – ein Strukturwandel mit noch unabsehbaren gesellschaftlichen Folgen, für den überzeugende visuelle Formen gerade ausgehandelt werden.
Das Von der Heydt-Museum realisiert die Ausstellung „Carl Grossberg: Die Magie der Dinge“ in Kooperation mit dem Museum im Kulturspeicher Würzburg. Beide Museen sind eng mit der Biografie des Künstlers verbunden: Seine Geburtsstadt ist Elberfeld, das heute zur 1929 gegründeten Großstadt Wuppertal gehört, und ab 1921 lebte er in Sommerhausen, südlich von Würzburg. Dementsprechend ist er in den Sammlungen beider Häuser gut vertreten.