Ein Interview mit Dr. Anna Storm
22. Oktober 2021 |
Marion Meyer – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wie kam es zu der Idee für diese Ausstellung?
Haben Sie sich zuvor schon mit den Niederländern in der Sammlung beschäftigt?
Was ist das Besondere an dieser Epoche? Wie kamen Sie auf den Ausstellungstitel?
Storm: Die Niederlande waren im 17. Jahrhundert eine Großmacht, Welthandel und Schifffahrt führten zu hohem Wohlstand, der sich auch auf Kunst und Kultur auswirkte. Selten hat die Malerei eine vergleichbare Blüte erlebt wie in den Niederlanden im ausgehenden 16. und 17. Jahrhundert – der Epoche, die als das „Goldene Zeitalter“ bekannt ist. Der Begriff ist heute allerdings nicht mehr unumstritten, denn mit der Assoziierung, dass alles in dieser Zeit goldig-glänzend war, werden beispielsweise Ausbeutungsverhältnis nicht mit reflektiert. In unserer Ausstellung soll es dezidiert um die Sammlungsgeschichte dieses Konvoluts gehen. Mit „Goldene Zeiten“ meinen wir die goldenen Zeiten im Wupper-Tal des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wo es durch den Aufbau der Textilindustrie zu Wohlstand und vor allem zum Aufbau privater Sammlungen kam. Diese bilden letztlich die Basis der heutigen Sammlung niederländischer Malerei im Von der Heydt-Museum. Der Ausstellungstitel ist insofern doppeldeutig: Er verweist auf die kunsthistorische Epoche, aber auch auf die spezifischen Umstände und Gegebenheiten in Wuppertal und die Entstehung der niederländischen Sammlung.
Wie sind die Werke in die Sammlung des Von der Heydt-Museums gekommen?
Warum haben die Mäzene Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts gerade die Niederländer gesammelt?
Storm: Bei einem eher konservativen, wohlhabenden Bürgertum waren niederländische Gemälde im 19. Jahrhundert sehr beliebt, anders als die moderne Kunst, die erst nach und nach salonfähig wurde. Interessanterweise haben einige wenige Sammler, wie auch August von der Heydt, sowohl niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts als auch die neue, moderne Kunst sehr geschätzt und gezielt gesammelt. Darüber hinaus gab es in keiner Epoche eine so hohe künstlerische Produktion wie in den Niederlanden in dieser Zeit. Das heißt, der Markt für niederländische Malerei bzw. das Angebot waren sehr groß, was sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert im Preis und im Kaufverhalten ausdrückte.
Wie viele Werke besitzt das Von der Heydt-Museum aus dieser Zeit?
Sie wollen die Geschichten hinter den Bildern zeigen, das hört sich spannend an. Welche Geschichten wären das denn etwa?
Storm: Die Gemälde und Grafiken sind über 400 Jahre alt, das heißt sie haben viel erlebt. Denn in der Regel gab es nicht nur einen Vorbesitzer oder eine Vorbesitzerin, bevor sie zu uns ins Haus kamen, sondern eine ganze Reihe. Die Werke hingen also sehr wahrscheinlich in diversen Wohnzimmern und vielleicht sogar in unterschiedlichen Ländern. Wir wollen rekonstruieren, soweit es uns gelingt, über welche Station die Werke zu uns gekommen sind. Gibt es ein konkretes Beispiel? Das Gemälde von Aelbert Cuyp zum Beispiel, das Titelmotiv der Ausstellung, war früher einmal in englischem Privatbesitz und kam dann über eine Galerie in Frankreich nach Wuppertal.
Fragen der Provenienzforschung, also Fragen nach der Herkunft; sollen auch eine Rolle spielen. Sind die denn bei diesen Bildern aufgearbeitet? Wo kommen die Bilder her?
Gab es bei Ihrer Recherche schon überraschende Einsichten und Erkenntnisse?
Was schätzen Sie persönlich an diesen Werken?
Storm: Diese Frage hätte ich vor einem Jahr noch anders beantwortet (lacht). Da hätte ich zum Beispiel das reiche Motivspektrum des Konvoluts, das sich von Landschaften über Genrebildern bis zu Stillleben erstreckt, benannt, oder auch die hohe malerische Qualität der Werke betont. Heute, nachdem ich verstärkt zu den Erwerbungshintergründen recherchiert habe, muss ich meine Antwort erweitern. Gemälde sind im doppeltem Sinne Zeitzeugen: Sie erzählen uns auf der einen Seite etwas über ihre Entstehungszeit, zum Beispiel über das Leben damals – wenn auch nicht jede Darstellung eine realistische Lebensbeschreibung ist. Auf der anderen Seite erzählt ihre Provenienz eine Geschichte über die Vorbesitzer, zeichnet geografische Wege oder gibt Auskunft über materiale Wertigkeiten und Möglichkeiten in der Vergangenheit. Ich schätze also – neben der Betrachtung dieser wunderbaren Werke – ihr dahinterliegendes erzählerisches Potential und hoffe, dass die Besucherinnen und Besucher genauso viel Freude haben werden, dieses zu entdecken, wie ich.
11.3.2021-10.4.2022