Die Geschichte hinter den Bildern
GOLDENE ZEITEN - DIE SAMMLUNG NIEDERLÄNDISCHER KUNST UND IHRE GESCHICHTE(N)
Im Fokus der Ausstellung steht die reiche und vielfältige Sammlung niederländischer Kunst, die seit Gründung des Museums systematisch und gezielt aufgebaut und erweitert wurde. Dabei geht die Ausstellung den Erwerbungshintergründen und der Herkunft der Bilder auf die Spur und deckt verborgene Geschichten rund um die Sammlung auf.
Um die Hintergründe hinsichtlich Herkunft und Erwerbung der Werke zu rekonstruieren, wurde historisches Quellenmaterial, wie Dokumente und Korrespondenzen, hinzugezogen. Einen weiteren wichtigen Anhaltspunkt bietet die Rückseite eines Objektes. Die Rückseite eines Kunstwerkes ist – im besten Falle – vergleichbar mit einem Reisepass. Bezeichnungen und Stempel geben Auskunft über vorangegangene Stationen und können so bei der Rekonstruktion der Besitzerketten helfen. Die Betrachtung der Rückseiten ist Grundlage der Provenienzforschung (Provenienz=Herkunft). Doch nicht jede Recherche liefert lückenlose Ergebnisse, nicht jede Besitzerkette lässt sich vollständig von der Entstehung des Objektes bis heute rekonstruieren – besonders bei Werken, die so alt sind. Daher kann auch jeder kleine Schritt heute als Erfolg betrachtet werden.
DR. ANNA STORM, KURATORIN DER AUSSTELLUNG
ANNA BAUMBERGER, WISSENSCHAFTLICHE MITARBEITERIN / PROVENIENZFORSCHUNG
PROVENIENZFORSCHUNG
Provenienzforschung widmet sich der Geschichte der Herkunft (=Provenienz) von Kunstwerken und Kulturgütern. Ein Fokus der Provenienzforschung an Kunstmuseen liegt auf der Identifizierung von möglicherweise verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken in der Zeit des Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang werden die möglichen Besitzer:innen sowie die Eigentumswechsel in der Zeit zwischen 1933 und 1945 ermittelt und auf einen möglichen Entzug geprüft. Die sogenannte Provenienzampel hilft bei der Kategorisierung der Provenienz und beschreibt gleichzeitig den Stand der Forschungen.
Die Kategorien Grün und Rot beschreiben in der Regel eine abgeschlossene Recherche für ein entweder eindeutig unbedenkliches (=Grün) oder eindeutig als Raubkunst identifiziertes Kunstwerk (=Rot). Die Kategorien Gelb und Orange beschreiben dagegen eine noch laufende oder aktuell nicht abzuschließende Recherche, da Lücken in der Objektbiografie vorhanden sind.
Jacob van Ruisdael - Waldlandschaft
Jacob van Ruisdael (1628–1682), Waldlandschaft, 1650er Jahre
LEINWAND | 99,5 X 132 CM
INV. NR. G 0233
Provenienz: [...]–François Stoop (1863–1933), London | [...]–1910: Galerie Kleinberger, Paris | 1910: Hans (1872–1936) und Willy (1861–1932) Schniewind, Elberfeld | 1910–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Hans und Willy Schniewind schenkten das Gemälde 1910 dem Museum, sie hatten es im gleichen Jahr in der Pariser Galerie Kleinberger gekauft – vermutlich nach Rücksprache mit dem Museumsdirektor Friedrich Fries. Trotz massiver Konkurrenz – auch das New Yorker Metropolitan Museum hatte Interesse an dem Gemälde – konnte es nach Wuppertal geholt werden, noch dazu zu einem guten Preis. Das Gemälde befand sich zuvor im Besitz des in den Niederlanden geborenen und in London lebenden Cornelis François Stoop. Die vorherigen Besitzer*innen sind derzeit nicht bekannt.
Aelbert Cuyp - Ansicht von Amersfoort
AELBERT CUYP (1620–1691), ANSICHT VON AMERSFOORT, VERMUTL. VOR 1650
LEINWAND | 97 X 136,5 CM
INV. NR. G 0198
Provenienz: [...]–England | [...]–1909: Galerie Kleinberger, Paris | 1909: Geh. Kommerzienrat Friedrich Bayer (1851–1920), Elberfeld | 1909–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Das Gemälde „Ansicht von Amersfoort“ gelangte 1909 als Schenkung durch Geh. Kommerzienrat Friedrich Bayer (1851–1920), aus Elberfeld, in die Sammlung des Museums. Bayer hatte es im selben Jahr bei der Pariser Galerie Kleinberger gekauft. Das Gemälde befand sich zuvor in englischem Privatbesitz, eine geschlossene Besitzerkette vor 1909 lässt sich derzeit nicht darstellen.
Zwischen 1909 und 1921 schenkten Friedrich Bayer und seine Frau dem Museum 13 Gemälde, darunter fünf niederländische Kunstwerke des 17. Jahrhunderts. Drei der fünf Niederländer-Gemälde (Molenaer, Dusart und Cuyp) hatte Friedrich Bayer in der Pariser Galerie Kleinberger erworben – vermutlich durch Vermittlung von und in Absprache mit dem Museumsdirektor Friedrich Fries (1865– 1954).
HENDRIK MAERTENSZ SORGH - KÜCHENINTERIEUR
HENDRIK MAERTENSZ SORGH (1610–1670), KÜCHENINTERIEUR, 17. JH.
HOLZ (EICHE) | 47 X 38 CM
INV. NR. G 0203
Provenienz: [...]–Cronier, Paris | [...]–1910: Galerie Kleinberger, Paris | 1910–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Das Werk wurde von der Pariser Galerie Kleinberger 1910 erworben. Es befand sich zuvor in der Pariser Sammlung Cronier.
Cornelis Dusart
CORNELIS DUSART (1660–1704), HEIMKEHR VOM MARKT, 1684
LEINWAND | 60,5 X 66 CM
INV. NR. G 0277
Provenienz: [...]–[...], nachgewiesen 1881: Francis Pelham-Clinton-Hope (1866–1941), London | [...]-1912: Galerie Kleinberger, Paris | 1912: Geh. Kommerzienrat Friedrich Bayer (1851–1920), Elberfeld | 1912–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Das Gemälde von Cornelis Dusart wurde ebenfalls von Friedrich Bayer geschenkt. Er kaufte es 1912 bei Kleinberger in Paris und übergab es im selben Jahr an das Museum. Bevor es im Besitz der Pariser Galerie war, befand sich die Darstellung in der Sammlung des Briten Francis Pelham-Clinton-Hope.
Auf der Rückseite lassen sich neben dem Besitzerhinweis des Von der Heydt-Museums zwei interessante Details finden: Ein dunkelblaues Wachssiegel der Galerie Kleinberger und ein Papierschild mit Verweis auf die Sammlung Hope. Das Gemälde war wohl 1881 als Leihgabe in einer Ausstellung der Alten Meister.
Joachim Patinir – Landschaft mit Heiligem Hieronymus
JOACHIM PATINIR (1480–1524), LANDSCHAFT MIT HEILIGEM HIERONYMUS, VERMUTL. 1515–1524
HOLZ (EICHE) | 21,5 X 32 CM
INV. NR. G 0369
Provenienz: [...]–1916: Silvanie von Baumann (1848–1924), München | 1916: Kunsthandlung Julius Böhler, München | 1916–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Das Gemälde – es ist das älteste aus dem Sammlungskonvolut niederländischer Malerei – wurde 1916 in der Kunsthandlung Julius Böhler gekauft. Ein Teil des Böhler-Archivs befindet sich heute im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. Die Anfrage dort ergab einen Fund: Eine Bildakte zu dem Gemälde von Patinir ist vorhanden. Es stammt aus dem Besitz von Silvanie von Baumann, der Witwe des 1915 verstorbenen Franz Ludwig von Baumann, Direktor des Reichsarchivs in München. Die Kunsthandlung Böhler verkaufte das Werk am 11. Oktober 1916 an das Städtische Kunstmuseum in Elberfeld. Somit konnte im Zuge der jüngsten Provenienzrecherchen eine weitere Lücke in der Objektgeschichte geschlossen werden.
Bildakte zum Gemälde Patinirs: ZI München/Photothek, Archiv Julius Böhler, Fotomappe M_16-0197
Salomon Rombouts
SALOMON ROMBOUTS (1650–1702), WINTERLANDSCHAFT, 17. JH.
HOLZ (EICHE) | 38,7 X 55,5 CM
INV. NR. G 0949
Provenienz: spätestens 1919–1958: Eduard Freiherr von der Heydt (1882–1964), Zandvoort u. a. | 1958–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Das Werk kam als Schenkung von Eduard Freiherr von der Heydt, damals in Ascona lebend, 1958 in die Sammlung. Die Untersuchung der Rückseite ließ aktuell neue Erkenntnisse zu: Ein auf der Rückseite befestigtes Schreiben aus dem Jahr 1919 von Cornelis Hofstede de Groot, ein Experte für niederländische Kunst, impliziert, dass das Gemälde schon im Jahr 1919 im Besitz von Eduard Freiherr von der Heydt war. Auch auf vier weiteren Rückseiten (Asselijn, Peeters, Cuylenborch, Saftleven) konnte ein solches Schreiben entdeckt werden, womit auch bei diesen Gemälden rekonstruiert werden kann, dass sie bereits früh im Besitz von der Heydts waren. Eduard von der Heydt hatte 1919 de Groot beauftragt, Expertisen für eine Reihe von Gemälden – darunter die benannten fünf – zu erstellen.
Auf der Rückseite befindet sich ferner ein Papier, das den Besitz Eduard von der Heydt ausweist. Es ist mit zwei roten Wachssiegeln befestigt.
eines Mannes mit hoher Mütze (Der Vater des Künstlers?)
Salomon Rombouts
REMBRANDT HARMENSZ. VAN RIJN (1606–1669), HALBFIGUR EINES MANNES MIT HOHER MÜTZE (DER VATER DES KÜNSTLERS?), 1630
RADIERUNG I BLATT | 10,3 X 8,5 CM
INV. NR. KK 2017/435 LO
Provenienz: [...]–Drugulin (1825–1879), Leipzig | 1976: Helmut H. Rumbler, Frankfurt a. M. | nach 1976–2011: Ruth und Dr. Wolfgang Heinrich Lohmann, Wuppertal | 2011–heute: Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Über fünf Jahrzehnte sammelte das Ehepaar Dr. Wolfgang Heinrich und Ruth Lohmann grafische Blätter. Die Lohmanns haben auf Auktionen gekauft, vorwiegend aber bei Händlern, vor allem bei dem Galeristen Helmut H. Rumbler aus Frankfurt am Main, der sie auch fachkundig betreute, und bei C. G. Boerner in Düsseldorf. 2004 übergab das Ehepaar Lohmann die Sammlung an das Von der Heydt-Museum – zunächst als Dauerleihgabe. Seit 2011 ist das Konvolut Eigentum des Museums.
Auf jeder Grafik der ehemaligen Sammlung Lohmann lassen sich heute rückseitig zwei Stempel mit Sicherheit finden: der Stempel des Von der Heydt-Museums, der nach der Aufnahme des Werkes in die Sammlung aufgetragen wurde, und der Stempel von Lohmann „Dr. W. H. L.“.
Einige Grafiken weisen darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Stempel und Bezeichnungen auf, die Auskunft über ihre Herkunft und Vorbesitzer*innen geben.